BUND
FRIENDS OF THE EARTH GERMANY
BUND Kreisgruppe Göttingen • Geiststraße 2 • 37073
Göttingen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland –
BUND Landesverband Niedersachsen e.V.
Kreisgruppe Göttingen Geiststraße 2
37073 Göttingen
37083 Göttingen Telefon 0551 / 56 1 56
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Stadt Göttingen
ED 61.1 Stadt- und Verkehrsplanung Hiroshimaplatz 1-4
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783 Gar 12.10.2018 Göttingen, den 15.11.2018
Bauleitplanung Stadt Göttingen – Bebauungsplan Göttingen Nr. 7, 3.Änderung „Nonnenstieg Nordwest“ Hier: Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange gern. § 4 Abs. 1 BauGB sowie der Verbände
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Zusendung der Unterlagen zum oben genannten Vorgang und bitten um eine kurze Eingangsbestätigung unserer Stellungnahme. Die Kreisgruppe Göttingen nimmt zu dem Vorhaben im folgenden Stellung:
Zuerst möchten wir die Notwendigkeit, neuen Wohnraum zu schaffen, anerkennen. Wir befürworten die Tatsache, den innerstädtischen Wohnraum zu verdichten und keine außenliegenden, höherwertigen Lebensraumtypen zu diesem Zweck umzuwidmen. Ebenso ist das Bestreben, die Zunahme der versiegelten Fläche durch Nutzung von Tiefgaragen und durch Dachbegrünung auszugleichen, als positiv zu bewerten.
Allerdings kritisieren wir, dass ein Eilverfahren gewählt wurde, ohne dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurde. Es ist somit nicht klar, welche Tier- und Pflanzenarten in dem Gebiet vorkommen. Dies können wir nicht akzeptieren.
Zunächst sehen wir den zunehmenden Grad der Versiegelung als deutlich schwerwiegender an, als er im Text dargestellt wird. Betrachtet man die absoluten Zahlen in der Tabelle auf Seite 40, so zeigt sich, dass die unversiegelte Fläche von gut 8.000M2 auf knapp 4.700M2 sinkt. So wird die unversiegelte Fläche um rund 410Io dezimiert, was einen heftigen Eingriff in die vorhandenen Strukturen bedeutet. Deshalb fordern wird, dass ein stärkerer Ausgleich geleistet werden muss. Hierfür sollte nicht nur ein Drittel, sondern die gesamte Dachfläche begrünt werden und nicht nur ein Teil des Daches zur Nutzung zur Verfügung stehen. Noch besser wäre es die Hälfte der Dachfläche zu begrünen und zusätzlich als Ersatz eine Fassadenbegrünung vorzuschreiben. 50% der Dachfläche bieten sich durch die Süd-Exposition ideal für die Installation von Fotovoltaikanlagen oder von Kollektoren zur Warmwasserversorgung (Solarthermie) an. Aktuelle Studien zeigen zudem, dass gerade die Kombination von Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen den Leistungsgrad der Anlagen erhöht. In einer Handreichung der Stadt Hannover (Fachbereich Umwelt und Stadtgrün) werden diese Vorteile herausgearbeitet 1
Eine passive und aktive Solarmaßnahme ist laut der Checkliste „Klimaschutz in der Bauleitplanung‘ möglich und muss deshalb ins Konzept aufgenommen werden. Im Text wird außerdem das Bestreben möglichst energieeffizienter Häuser betont. Eine Installation genannter Techniken ist also im Sinne der Bauplanung. Diese Verfahren sind nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes sinnvoll, sondern auch zukunftsweisend, da sie effizient und somit ökonomisch sinnvoll sind und den Klimaschutzzielen (s. Masterplan 100 % Klimaschutz) der Stadt Göttingen entsprechen. Insgesamt ist das Vorhaben nach der „Checkliste Klimaschutz in der Bauleitplanung“ lediglich mit neutral gewertet. Bei einer so intensiven Umstrukturierung eines Gebietes sollte dank neuster Erkenntnisse, Vorausdenken für zukünftige Generationen und modernster Technik stets eine Verbesserung der jetzigen Situation stattfinden und immer ein Gewinn beim Klimaschutz das Ziel sein.Weiterhin sollen lediglich 30% der Tiefgaragendachflächen begrünt werden. Somit werden wertvolle Flächen mit Klimafunktion und zur Vermeidung von Überhitzung vernachlässigt und nicht ausreichend genutzt. Somit ist die Idee des Ausgleiches versiegelter Fläche durch den Bau von Tiefgaragen nur dank des Retentionsvermögens annähernd ausgeglichen. Das Jahr 2018 zeigte allerdings deutlich, dass gerade die Funktion der Mikroklimaregulierung schwerwiegend ist und in seiner Bedeutung in Zukunft noch steigen wird. Es muss deshalb die gesamte Fläche der Tiefgaragendächer begrünt werden.
Hinzu kommt, dass die restliche unversiegelte Fläche einer intensiven Nutzung unterliegen wird, wie beispielsweise durch den geplanten anliegenden Spielplatz. Es ist deshalb anzustreben, diesen möglichst naturnah zu gestalten. Durch die intensive Landwirtschaft werden städtische Lebensräume vor allem für Bestäuber immer attraktiver. Die Stadt Göttingen leistet durch das Anlegen von Blühstreifen einen wichtigen Beitrag. So sollte auch in dem Baugebiet, idealerweise beim Spielplatz, ein Blühstreifen eingeplant werden. Für Bildungszwecke bietet sich das Aufstellen von Informationstafeln und einer künstlichen Nisthilfe in Spielplatznähe an. So können die Kinder dort etwas über diese Insekten lernen. Betrachtet man die wichtige Bestäubergruppe der Wildbienen, so sind neben den Blütenressourcen auch ältere, naturnahe Strukturen in der Umgebung notwendig. Nicht alle Wildbienenarten nisten in Hohlräumen, wie man sie in Nisthilfen künstlich anbietet. Sie benötigen Totholz, offene Sandböden und markhaltige Stängel, wie sie vor allem in gereiften Randstrukturen mit Gebüsch zu finden sind. Deshalb müssen die vorhandenen wertvollen Gebüschstrukturen vor allem auf dem Spielplatz erhalten bleiben.
Weiterhin befinden sich derzeit in dem Bereich des Bebauungsplans 88 Bäume, von denen 39 durch die Baumschutzsatzung geschützt sind. Vier weitere sind als besonders erhaltenswert eingestuft. Trotzdem sollen lediglich acht der genannten Bäume erhalten bleiben, obwohl auf Seite 32 betont wird, dass ein möglichst großer Erhalt der Bestandsbäume angestrebt wird. Der Schutzstatus der Bäume muss ernst genommen werden, da dieser absolut gerechtfertigt ist. Bäume mit einem größeren Durchmesser bieten deutlich bessere Habitatmöglichkeiten als neu gepflanzte Jungbäume. Der angestrebte Ersatz der gefällten Bäume im Verhältnis 1:1 ist somit deutlich unausgewogen. Sollte der Erhalt einzelner Bäume nicht möglich sein, muss mindestens ein Verhältnis von 3:1 vorgeschrieben sein. Eine Neupflanzung von Bäumen ist allerdings durch die Tiefgaragen erschwert, was die Forderung nach dem Erhalt der Bäume unterstützt. Die Art der nachzupflanzenden Bäume sollte außerdem vorgegeben werden. Hierfür müssen standortgerechte Arten ge-
wählt werden. Gleiches gilt für die Pflanzung der Sträucher, wofür sich beispielsweise Haselsträucher oder Hainbuchen eignen.
Der derzeitig vorhandene Baum- und Strauchbestand ist im Bereich des Spiel- und Bolzplatzes (Flurstück 104) besonders ausgeprägt. Er ist wertvoller Lebensraum, dient dem Temperaturausgleich und der Erholung der Anwohner. Um möglichst viele alte durch die Baumschutzsatzung geschützte Bäume zu erhalten, liegt es auf der Hand, den vorhandenen Spiel- und Bolzplatzes in der jetzigen Form zu erhalten. Ein Verlust kann nicht annähernd ausgeglichen werden. Wir unterstützen somit die Forderung der Anwohner. Der Verzicht
auf den Bau des Neubauhauses Nr. 5 sowie die Verlegung des Baus von Haus Nr. 6 befürworten wir deshalb. Eine Machbarkeitsprüfung dieser Lösung muss daher zwingend erfolgen. Eine Verschiebung der Baukörper und der Wegfall eines der Häuser kann weiterhin der Reduzierung des Schattenwurfes zuträglich sein, sodass die Installation von Solartechnik erleichtert werden kann.
Unterstützend hierzu ist das Argument, dass Bäume, die der Baumschutzsatzung unterliegen, nach §6 lediglich dann gefällt werden dürfen, wenn beispielsweise
- b) eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige Nutzung eines Grundstückes sonst nicht oder nur unter wesentlichen Einschränkungen verwirklicht werden kann,
- c) von einem Baum Gefahren fürPersonen und Sachen ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand zu beheben sind,
- d) ein Baum krank oder beschädigt ist und die Erhaltung, auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses daran, mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist,
- e) die Beseitigung eines Baumes aus überwiegendem öffentlichem Interesse erforderlich ist und die Wahrnehmung dieses Interesses auf andere Weise nicht möglich ist.
Die zu fällenden Bäume sind weder krank, noch stellen sie eine Gefahr dar. Nach den Vorschlägen von Herrn Bernd Graubner und Frau Ursula Schoemann gibt es alternative Nutzungsmöglichkeiten des Grundstückes, die die Ziele der Wohnraumschaffung nicht einschränken. Weiterhin machen die Aufrufe der Nachbarschaft und die Unterschriftensammlungen deutlich, dass es nicht dem öffentlichen Interesse entspricht, die Bäume fällen zu lassen. Somit gibt eine keine Argumente, um einem Antrag zur Befreiung von der Baumschutzsatzung zuzustimmen.
Unabhängig davon müssen in jedem Fall Nisthilfen für die dort vorkommenden Vogel- und Fledermausarten angebracht werden, um den Verlust der Nistmöglichkeiten in den ggfs. gefällten Bäumen auszugleichen. Bis die nachgepflanzten Bäume ein gleichwertiges Habitat bieten, vergehen Jahrzehnte, die man mit künstlichen Nisthilfen überbrücken muss. Gleiches gilt für die moderne Bauweise der neugebauten Häuser. Hier werden keine Spalten und Ritzen mehr für den Unterschlupf diverser Tierarten zurVerfügung stehen, weshalb mit Nisthilfen nachgeholfen werden muss. Dazu hat der BUND Niedersachsen viele Informationen im Projekt „Artenschutz am Bau“ zusammengestellt.
Wir bitten Sie dringend den Entwurf des Bebauungsplans im Sinne der Vorschläge in der Stellungnahme zu überarbeiten. In der vorliegenden Form kann die BUND Kreisgruppe dem Bebauungsplan nicht billigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Hanna Gardein
Bachelor of Science, Arbeitskreis Verbandsbeteiligung BUND Kreisgruppe Göttingen
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- Online verfügbar: www.hannover.defMediafol-DATA-NeufDownloadsfLandeshauptstadt-Hannoverf Planen-Bauen,-
Wohnen/Okologisches-Bauen/Beratungsleitfaden-Dachbegrünung-und-Photovoltaik (Stand März 2015)
Hausanschrift: Geschäfts- und Spendenkonto: Vereinsregister: Der BUND ist ein anerkannter Naturschutzverband
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